Ist eine Knieprothese die einzige Lösung?
Viele kennen das Problem. Plötzlich beginnt das Kniegelenk zu schmerzen und schwillt an, ohne dafür einen speziellen Grund zu kennen. Eine mögliche Ursache kann ein geschädigter Gelenksknorpel sein. Was ist der Knorpel und welche Funktion im Kniegelenk hat er? Wieso sollte er möglichst lange erhalten werden? Und was tun, wenn er großflächig, massiv geschädigt ist, also eine Arthrose vorliegt?
Das Kniegelenk ist die bewegliche Verbindung zwischen Oberschenkel und Unterschenkel. Es handelt sich um ein sehr komplexes Gelenk, da es einerseits gut beweglich sein muss und andererseits nötige Stabilität geben muss – denken wir dabei nur kurz an ein Fußballspiel oder ans Ski fahren. Es wechseln in schneller Folge Start – und Stop – Bewegungen, einmal ist das Bein gestreckt, gleich darauf gebeugt und immer muss dabei das Knie den Körper optimal in Position halten. Die gute Beweglichkeit wird dabei wesentlich durch den Gelenksknorpel ermöglicht. Er überzieht in einer mehreren Millimeter dicken Schicht den Oberschenkelknochen, den Unterschenkelknochen (Schienbein) und die Kniescheibe. Seine Funktionen sind die Verringerung der Reibung im Gelenk (auf nahezu null) und die Unterstützung in der Dämpfung (gemeinsam mit den Menisken). Der Knorpel selbst wird im Knie recht schlecht mit Nährstoffen versorgt – Blut bringt Nährstoffe von der Knochenseite und die Gelenksflüssigkeit bringt Nährstoffe von der „Innenseite“ – trotzdem ist die Versorgung im Vergleich zu anderen Regionen im Körper deutlich geringer. Leider bedingt diese schlechte Versorgung, dass Knorpel nur sehr schlecht heilen kann, wenn er einmal geschädigt wird.
Ursachen für solche Knorpelschäden sind vielfältig. Häufig sind sie die Folgen eines Traumas des Kniegelenks, entstehen also im Rahmen eines Unfalls, bei dem auch gleichzeitig andere Teile des Kniegelenks geschädigt werden können. Kommt es zum Beispiel zu einem Meniskus- oder Kreuzbandriss, kann dabei auch Knorpel geschädigt werden. Andere Ursachen sind Fehlbelastungen wegen X- oder O- Beinen, fehlende Kniestabilität, Überlastungen durch falsches Training oder langjährige sportliche Be- und Überlastungen. Selten kommt es, meist unerklärlich, zu einem plötzlichen Absterben von Teilen des Knorpels oder des darunter liegenden Knochens.
Je nach Größe, Position, Art und Tiefe des Knorpelschadens (Knorpel kann oberflächlich oder tief bis zum Knochen betroffen sein), treten ganz unterschiedlich ausgeprägte Symptome auf. Manche Patienten berichten von gelegentlich auftretenden Schmerzen bei bestimmten Bewegungen, andere von regelmäßig stark angeschwollenen Knien und bei wieder anderen treten stärkste Schmerzen in der Nacht auf. Häufig beginnen die Schmerzen plötzlich, sind aber nur wenig ausgeprägt. Kommt es dann zum Fortschreiten der Erkrankung, nehmen die Symptome aber an Häufigkeit und Intensität deutlich zu. Besteht ein Knorpelschaden lange Zeit, oder ist er großflächig, kommt es zu weiteren Folgeschäden im Kniegelenk. Der Knochen selbst beginnt sich zu verändern, es bilden sich knöcherne Anbauten um das Knie (sogenannte Osteophyten), die Beinachse verändert sich (ein O – oder X – Bein entsteht), das Gelenk entzündet sich, es bilden sich Zysten um das Knie und es kommt zu Änderung der Gelenksmechanik. Das wiederum führt zu Einschränkungen der Kniebeweglichkeit, also zur Einschränkung der normalen Gelenksfunktion. Wir sprechen in solchen Fällen von einer fortgeschrittenen Arthrose. Dieser Begriff umfasst Veränderungen von Gelenken, die man auch als „Gelenkverschleiß“ bezeichnen kann. Endstadium ist ein hoch schmerzhaftes, empfindliches, geschwollenes Gelenk, das nicht mehr normal funktioniert und nicht mehr belastbar ist. Die Patienten leiden an einer starken Einschränkung der Lebensqualität, Ruheschmerzen, Nachtschmerzen und dem Verlust der Sportfähigkeit.
Jedes länger schmerzende Gelenk, unabhängig davon, ob ein Unfall passiert ist, oder nicht, sollte von einem Arzt sorgfältig untersucht werden. Dabei werden neben dem äußeren Erscheinungsbild auch Beweglichkeit, Stabilität, Belastbarkeit, Schwellung, Gelenksflüssigkeit und typische Schmerzpunkte beurteilt. Die Durchführung spezieller Tests rundet das Bild für den Untersucher ab. So können bereits Hinweise auf mögliche Schmerzursachen gewonnen werden. In sehr akuten Fällen kann es notwendig sein, das betroffene Gelenk kurzfristig ruhig zu stellen oder mit Hilfe von Stützkrücken zu entlasten.
Zur Sicherung einer Verdachtsdiagnose stehen dem behandelnden Orthopäden oder Unfallchirurgen verschiedene bildgebende Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Üblicherweise werden Röntgenbilder des betroffenen Kniegelenks angefertigt. Dabei kann der Knochen aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilt werden, man erkennt Hinweise auf Rückgang der Knorpeldicke, man sieht knöcherne Gelenksanbauten und man kann die Beinachse auf Vorliegen eines X- oder O- Beins überprüfen. Die Durchführung einer Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht dann auch die Beurteilung der Weichteile um das betroffene Kniegelenk, also eine Ansicht von Knorpeln, Menisken, Bändern, Gelenkskapsel usw. . Der behandelnde Arzt sollte, neben dem MRT Befund, auch immer selbst die MRT Bilder der Patienten betrachten. Nur so kann er in Zusammenschau mit den Beschwerden des Betroffenen eine gesicherte Diagnose stellen und Vorschläge für die weitere Therapie erarbeiten.
Um an dieser Stelle die Frage vom Beginn zu beantworten: nein, die Versorgung mit einer Knieprothese ist natürlich nicht die einzige Therapieoption, die uns zur Behandlung von Knorpelschäden im Kniegelenk zur Verfügung steht. Eine Reihe von konservativen Behandlungen, also ohne Operation, aber auch verschiedene operative Verfahren können zum Einsatz kommen. Entscheidend für die Wahl der richtigen Therapie, ist die bereits beschriebene, ausführliche und kompetente Diagnostik.
Konservative Therapieoptionen
Konservative Akuttherapie und Schmerztherapie
Kommt es zu akuten Schmerzen im Kniegelenk, sollte man als Erstmaßnahme nach der sogenannten „PECH – Regel“ vorgehen. Also Pause der Aktivität (keine weitere kniebelastende Tätigkeit, Unterbrechung der sportlichen Aktivität), Eis – Kühlung des betroffenen Kniegelenks – dadurch werden Schmerzen therapiert und das weitere Anschwellen verhindert, Compression – Anlage von Kompression, also einem leichten Druckverband, der auch das weitere Anschwellen verhindern soll, Hochlagerung – um einen besseren Abfluss des Blutes und der Gewebsflüssigkeit zu erreichen.
Vom Arzt verordnete Schmerztherapie zum Schlucken, kann helfen, akute Schmerzsituationen im Kniegelenk kurzfristig zu behandeln und gleichzeitig eine Entzündung zu reduzieren. Sie sollte jedoch nie zur „Aufrechterhaltung der Funktion“ missbraucht werden, oder gar einen „Sport unter Tabletten“ ermöglichen. Außerdem muss trotz erfolgreicher Schmerztherapie eine ausführliche Diagnostik durch den Arzt erfolgen.
Physiotherapie
Gute Physiotherapie beim knieerfahrenen Therapeuten ist eine sehr wichtige Therapieform zur Behandlung von Knorpelschäden bzw. zur Vorbeugung einer Verschlechterung und zur Therapie ihrer Ursachen. Da oft funktionelle Beschwerden, wie zum Beispiel Fehlhaltungen oder Fehlbelastungen zu Verletzungen und Schäden im Kniegelenk führen, müssen diese Beschwerden auch Ziel einer guten Physiotherapie sein.
Außerdem kann der Therapeut helfen, eine optimale sportliche Aktivität zu finden, die trotz vielleicht schon beginnender Arthrose die Beweglichkeit der Gelenke erhält, die Fitness erhöht und dadurch die Beschwerden in den Gelenken reduziert.
Auch nach chirurgischen Eingriffen ist die Physiotherapie eine Säule der Nachbehandlung und darf unter keinen Umständen vernachlässigt werden.
Hyaluronsäure
Die Hyaluronsäure ist ein wesentlicher, natürlicher Bestandteil von Knorpelgewebe und findet sich auch in der schmierenden Gelenksflüssigkeit. In den letzten Jahren wurde durch verschiedene wissenschaftliche Arbeiten sehr viel über die besondere Bedeutung der Hyaluronsäure für die Knorpelgesundheit und ihre wesentlichen Funktionen bekannt. So ist sie auch wichtig für die Dämpfung von Entzündungsreaktionen, begünstigt den Nährstofftransport, schmiert die Gelenke und verhindert Knorpelabbau. Hyaluronsäure kann durch Injektionen direkt in das Gelenk eingespritzt werden und verbleibt, je nach Produkt, lange Zeit im Gelenk. Durch mehrere, aufeinanderfolgende Therapien, können Beschwerden behandelt werden, die in Folge von Knorpelschäden auftreten.
Eigenbluttherapie (ACP®)
ACP® steht für „Autologes Conditioniertes Plasma“, also ein Blutbestandteil, der durch Behandlung in speziellen medizinischen Geräten aufbereitet wird. Nach einer Blutabnahme von wenigen Millilitern Blut aus einer Vene am Arm, wird das Blut in einer Spezialspritze zentrifugiert. Dabei trennen sich verschiedene Blutbestandteile ab, und das sogenannte konditionierte Plasma kann entnommen werden. Dieses Blutplasma enthält eine Reihe an entzündungshemmenden, wachstumsfördernden und heilenden, körpereigenen Substanzen in sehr hoher Konzentration. Die Zugabe künstlicher Medikamente ist nicht notwendig. Nach Aufbereitung wird das Plasma zum Beispiel in das erkrankte Kniegelenk injiziert. Dort werden körpereigene Heilungsprozesse in Gang gesetzt und begünstigt. Es kommt zum Schutz des noch vorhandenen Knorpels, zur Reduktion entzündlicher Prozesse und zur Regeneration des Gelenkes. Patienten berichten von sehr lange anhaltenden, positiven Effekten, also von Schmerzreduktion bis Schmerzfreiheit, Zunahme der Beweglichkeit, Abnahme der Schwellung und Regeneration der sportlichen und täglichen Aktivitäten.
Diese Art der Eigenblutbehandlung fällt nicht unter „Doping“ und ist von der Welt - Anti - Doping - Behörde explizit als Therapiemethode frei gegeben.
Eine „klassische“ Kortisontherapie kann durch den Einsatz von ACP® oft verhindert werden.
Operative Therapieoptionen
Werden die Beschwerden trotz dem Versuch einer konservativen Therapie nicht besser, oder besteht aufgrund einer Verletzung ein akuter Grund, können verschiedene Operationsverfahren als Therapie eines Knorpelschadens angewandt werden. Die Auswahl des richtigen Operationsverfahrens ist erst durch eine sorgfältige Untersuchung, der passenden radiologischen Diagnostik und einem ausführlichen Patientengespräch möglich.
Mit Hilfe der Gelenksspiegelung – einer Form der minimalinvasiven Schlüssellochchirurgie (Arthroskopie), kann das Innere des Gelenks beurteilt werden. Außerdem können gleich therapeutische Maßnahmen, wie zum Beispiel das Entfernen lockerer Knorpelanteile oder frei im Gelenk beweglicher, störender Bruchstücke, durchgeführt werden. Da Knorpel selbst nur schlecht regeneriert, muss versucht werden, so viel natürlichen Knorpelbelag wie nur möglich, zu erhalten. Je nach Größe des Knorpelschadens und seiner Tiefe, kann versucht werden, durch das Setzen kleiner „Nanolöcher“ das Einwandern von Blut aus dem darunter liegenden Knochen zu erreichen. Dieses enthält zahlreiche Stammzellen. Dadurch soll sich eine Narbe aus Faserknorpel bilden, der einen Ersatz für den geschädigten Knorpel darstellt. Andere Verfahren sind die Transplantation von körpereigenen Knorpel – Knochen – Zylindern, die Transplantation von Knorpelzellen oder der Belag mit einer knorpelfreundlichen Oberfläche, auf der sich wiederum Stammzellen ansiedeln sollen.
Ist der Knorpelschaden schon so weit fortgeschritten, dass es zu Folgeveränderungen am Knochen kommt oder im schlimmsten Fall der Knorpel großflächig verschwunden ist und bereits Knochen an Knochen reibt, kann die Versorgung mit einer Teilprothese oder der vollständige Gelenksersatz mit einem künstlichen Kniegelenk notwendig sein. Hierfür wird bereits am Computer eine exakte Planung der Operation durchgeführt und eine individuelle Knieprothese für den Patienten vorbereitet. Durch moderne Operationsmethoden können lange Spitalsaufenthalte verhindert werden. Die Patienten stehen üblicherweise noch am Operationstag auf und dürfen das operierte Gelenk sofort belasten.
Unabhängig von der gewählten operativen Versorgung sind Nachbehandlung und Rehabilitation wesentliche Säulen einer erfolgreichen Therapie. Nur so kann ein optimales Behandlungsergebnis mit Wiederherstellung der täglichen Leistungs- und Sportfähigkeit gewährleistet werden. In einem ausführlichen Aufklärungsgespräch zwischen Patient und Arzt sollte gemeinsam ein klarer Fahrplan für die Zeit nach einem chirurgischen Eingriff am Kniegelenk erarbeitet werden. Der behandelnde Physiotherapeut sollte hier inhaltlich voll integriert werden.
Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann ein ärztliches Gespräch nicht ersetzen. Bei gesundheitlichen Beschwerden oder Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne persönlich zur Verfügung - vereinbaren Sie Ihren Termin - ich freue mich auf Sie!
Ihr Dr. Markus Winnisch MSc
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